Eine lineare Berechnung in der Baustatik setzt voraus, dass die Reaktion des Systems direkt proportional zur angelegten Last ist.
Das bedeutet: Die Beziehung zwischen Kraft und Verformung bleibt konstant; zum Beispiel verdoppelt sich die Reaktion, wenn die Belastung verdoppelt wird.
Im Gegensatz dazu verändert sich bei einer nichtlinearen Berechnung das Systemverhalten:
Die Antwort auf die Belastung kann überproportional, abrupt oder in Abhängigkeit von zusätzlichen Randbedingungen erfolgen, wie etwa beim Knicken, beim Ausschluss von Zugstäben oder bei der elastischen Bettung im Zug.
Beispielhafte Nichtlinearitäten
Knicken bzw. Berechnung nach Theorie II. Ordnung:
Unter ausreichend großer Druckkraft kann ein schlanker Stab seitlich ausweichen und versagen.Ausschluss von Zugstäben:
Im Modell können Stäbe definiert werden, die ausschließlich auf Zug beansprucht werden dürfen. Verlieren sie ihre Zugkraft, werden sie aus dem Tragwerksmodell entfernt; das Gesamtsystem verändert sich somit bei jedem Berechnungsschritt.Elastische Bettung bei Zug:
Lagerungen (Federn, Bettungen) können so modelliert werden, dass sie lediglich auf Druck oder nur auf Zug wirken. Wird ein Bereich auf Zug beansprucht, kann die entsprechende Bettung gezielt deaktiviert werden.
Der Ausschluss von Zugstäben in der Baustatik ist ein klassisches Beispiel für ein nichtlineares System:
Zugstäbe werden, wenn sie Druck erhalten, im Verlauf der Analyse im Modell deaktiviert. Dadurch verändert sich das Tragverhalten des gesamten Systems.
Jede mögliche Lastkombination muss daher gesondert untersucht werden. In der Baustatik wird eine solche Lastkombination als „nichtlineare Lastfallgruppe“ bezeichnet.
Vorgehen bei der Berechnung mit der Baustatik
Innerhalb jeder „nichtlinearen Lastfallgruppe“ wird zunächst ermittelt, welche Zugstäbe Druck aufnehmen. Diese Stäbe werden jeweils einzeln aus dem statischen System entfernt.
Das verbleibende System wird erneut berechnet, und die Iteration beginnt von vorne. Dieser Vorgang wird so lange wiederholt, bis kein Zugstab im System mehr Druckkräfte aufnimmt.
Die Nichtlinearität entsteht somit dadurch, dass sich die Struktur je nach Belastungsfall dynamisch anpasst.
Praktische Überlegung
Kürzlich wurde mir folgende Frage gestellt:
Anstatt Zugstäbe zu definieren: Könnte man bei der Eingabe diese Stäbe nicht einfach weglassen?
Prinzipiell kann man das machen, doch stößt dieses Vorgehen schnell an seine Grenzen:
Da im Voraus nicht bekannt ist, welche Stäbe unter welcher Belastung Druck bekommen, müsste für jede Lastkombination ein eigenes System eingegeben werden.
Es ist deutlich einfacher, Zugstäbe zu definieren und das Programm die Arbeit machen zu lassen.
Alltagsbeispiel
Mein Regal in der Garage ist ein anschauliches Beispiel für ein Fachwerk mit Zugstäben.
Die Zugstäbe sind hier durch Drachenschnur (Polyester) realisiert.